In der Fachliteratur finden sich unzählige wissenschaftliche Abhandlungen, Theorien, Gedanken und Definitionen – teilweise von sehr klugen und erfahrenen Persönlichkeiten – die auf Grundlage naturwissenschaftlicher, empirischer, historischer oder philosophischer Ansätze das Wesen, die Kunst und die Implikationen der Fischerei mit der künstlichen Fliege zu erklären suchen. Wer sich mit der Fliegenfischerei einmal intensiver angefangen hat auseinanderzusetzen und ehrlich zu sich selbst ist, wird schnell feststellen, dass – je tiefer er in die Materie eindringt – weitaus mehr neue Fragen auftauchen, als Antworten auf bestehende Fragen zu erwarten sind.
Das mag daran liegen, dass die Fliegenfischerei in ihrer Gesamtheit einen unglaublich umfassenden Untersuchungsgegenstand darstellt, die jeweiligen Autoren oft völlig unterschiedliche Hintergründe haben, sich in der Fischerei grundsätzlich keine allgemeingültigen Regeln mit Absolutheitsanspruch aufstellen lassen und viele Fragen ganz einfach auch nicht abschließend beantwortet werden können. Werfen und Fliegenbinden kann man trainieren. Man kann lernen, sich unbemerkt am Wasser zu bewegen, Strömungen zu „lesen“ und Standplätze zu erkennen, Fische im Wasser zu „spotten“ und saubere Driften auszufischen.
Langjährige Erfahrung hilft, das Verhalten der Fische besser zu interpretieren, unbekannte Situationen schneller zu analysieren und entsprechende Strategien zu entwickeln. Doch bei allem noch so umfassenden Können und Wissen wird es immer eine Komponente geben, die wir weder mit Sicherheit voraussagen noch aktiv beeinflussen können. Es ist der „eigene Kopf“ der Fische, ihre ganz eigene Gesetzmäßigkeit, welche uns – allen bisherigen Erkenntnissen und als unumstößlich geglaubten Regeln zum Trotz – gnadenlos in unsere Schranken verweist, in Unglauben verfallen und manchmal auch verzweifeln lässt. Aber genau hier beginnt für mich die wahre „Kunst des Fliegenfischens“. Ja, ich persönlich glaube an Intuition beim Fischen, an eine besondere emotionale Eingebung, die unserem gesunden Menschenverstand und allem, was wir bisher über die Fischerei gelernt haben, Hohn spricht, und dennoch – oder gerade deshalb – zum Erfolg führt…
Wer offen ist für diese Erkenntnis, kann nur ein besserer Fliegenfischer werden.
Mirjana Pavlic